Leichte Entspannung trotz negativer Zahlen
Gemäss der Statistik der Unternehmensstruktur 2020 ist sowohl in der Schweiz als auch in Graubünden ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen. Zum ersten Mal seit Statistikerhebung im Jahr 2011. Mittlerweile hat sich bei den Bündner Unternehmen die Lage wieder etwas entspannt, herausfordernd bleibt die Situation dennoch. Nicht zuletzt beim Thema Personalsuche
Nein, so wirklich überraschend sind die Zahlen aus der aktuellen Statistik der Unternehmensstruktur 2020 (STATENT) nicht. Denn dass die Coronapandemie auch der Schweizer Wirtschaft zugesetzt hat, dürfte wohl allen klar sein. Und dennoch lassen die jüngsten Ergebnisse des Bundesamtes für Statistik aufhorchen.
So zählte die Schweiz 2020 rund 617 000 Unternehmen und knapp 5,3 Millionen Beschäftigte. Nachdem diese Zahlen seit Beginn der statistischen Reihe im Jahr 2011 stetig gestiegen waren, verzeichnen sie nun also erstmals überhaupt einen Rückgang. Demnach wurden 2020 rund 900 Unternehmen und 33 000 Arbeitsplätze weniger gezählt als noch 2019, was einem Minus von 0,1 respektive 0,6 Prozent entspricht.
Besonders stark betroffen waren dabei die Wirtschaftszweige Gastronomie und Beherbergung. Dort gingen knapp 15 600 beziehungsweise 9900 Arbeitsplätze verloren. Und in Graubünden? Hier ist der Rückgang an Arbeitsplätzen mit minus einem Prozent gar noch einschneidender als im landesweiten Durchschnitt.
Herausforderung Personalsuche
Die aktuelle Statistik verspricht also nichts Gutes. Und dennoch, wenn man sich bei Bündner Unternehmen umhört, verspürt man zumindest einen gewissen Grad an Zuversicht. Sogar auch bei Gastronomie- und Tourismusunternehmen, die in jüngster Vergangenheit ganz besonders arg gebeutelt wurden und wo es, Stand heute, ausgesprochen schwer zu sein scheint, wieder neue Arbeitskräfte finden zu können.
«Der Beschäftigungsgrad ist bei uns seit der Coronapandemie ganz klar zurückgegangen», erklärt etwa Carmen Cappellini vom Restaurant «Calanda» in Chur. Aktuell sei dies allerdings nicht wegen der Geschäftslage respektive der allgemeinen Nachfrage in der Gastronomie der Fall, sondern schlicht und einfach deshalb, weil es an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehle. «Bei uns besteht dieses Problem nicht einmal aufgrund eines eigentlichen Mangels an Fachkräften, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass aktuell zu wenig Interesse besteht, wieder oder überhaupt im Gastronomiebereich arbeiten zu wollen», sagt Cappellini weiter.
Auch bei der Belvedere Hotel Familie aus Scuol - zu der das 4-Sterne-Superior-Hotel «Belvedere», das 4-Sterne-Engadiner Boutique-Hotel «GuardaVal», das 3-Sterne-Superior-Badehotel «Belvair» und das Thai-Restaurant «Nam Thai» gehört - hat man sich in jüngster Zeit wieder vermehrt mit dem Thema Personalsuche auseinandersetzen müssen. «Wir haben regelmässig offene Stellen gemeldet, da in der Gastrobranche und in der Grösse unserer Unternehmung eine gewisse Fluktuation dazugehört», sagt der Inhaber der Belvedere Hotel Familie, Kurt Baumgartner.
Demnach ist die Beschäftigung bei der Belvedere-Gruppe bereits 2020 leicht angestiegen und stabilisierte sich danach, respektive ist gegenwärtig wieder leicht rückgängig. Dieser leichte Rückgang der Beschäftigten während den beiden Corona-Jahren decke sich mit einem leichten Umsatzrückgang, der sich aufgrund der Wiederaufnahme von Reisen ins Ausland seitens der Schweizer Gäste auf einem leicht höheren Niveau als «Vor-Corona» einpendle, erklärt Baumgartner.
Übersicht über die Schweizer Wirtschaft
Mit der Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT) verfolgt das Bundesamt für Statistik (BFS) das Ziel, die wichtigsten Strukturmerkmale der Schweizer Unternehmen und deren Arbeitsstätten zu erfassen. Die seit 2011 jährlich erstellte Statistik trat die Nachfolge der eidgenössischen Betriebszählung (BZ) des BFS an, die zwischen 1905 und 2008 in unregelmässigen Zeitabständen als Befragung bei den Schweizer Betrieben durchgeführt wurde. Bei der Erhebung der STATENT wird die gesamte Schweizer Wirtschaft berücksichtigt.
Früh eingeleiteter Veränderungsprozess
Von Corona beeinträchtigt ist respektive war man derweil auch in der Industriebranche, sogar auch im Gesundheits- und Medizinalbereich, der gemeinhin als «Corona-Profiteur» bezeichnet wird. «Aktuell sind wir auf Kurs wie vor Corona, obwohl Corona auch uns hart getroffen hatte», sagt etwa Heinz Hügli, CEO der in Zizers beheimateten Synbone AG, einem globalen Marktführer im Bereich der Bereitstellung von chirurgischen Ausbildungsmodellen und Ausbildungssystemen für medizinisches Fachpersonal. Dank Investitionen in neue Technologien und neue Projekte habe man sich sozusagen wieder neu aufstellen können, sagt Hügli weiter.
Der Veränderungsprozess hat bei der Synbone AG allerdings schon weit vor Corona begonnen. «Seit 2011 hat sich bei uns sehr viel geändert», führt Hügli aus. So wurde eine Produktion in Malaysia aufgebaut, ein globales Sales-Team etabliert oder der Bereich Forschung und Entwicklung in der Schweiz vergrössert. Da man sich in der Schweiz also vermehrt auf die Innovation fokussiere, brauche man hier technische Experten mit Hochschulabschluss, falls man weiter wachsen möchte, wie CEO Hügli erklärt.
Licht am Ende des Tunnels
Der Wachstumsgedanke respektive eine gewisse Entspannung ist, zumindest bei einigen Bündner Unternehmen, also wieder zurückgekehrt. Was bleibt, ist eine Portion Ungewissheit. Nicht zuletzt aufgrund der ganz grundsätzlich sehr ungewissen, um nicht zu sagen reichlich fragilen aktuellen Weltlage.
«Wir sind nach wie vor vorsichtig in der Akquise und der Anstellung von neuem Personal», sagt Belvedere-Chef Baumgartner dazu. Gleichzeitig sei es aber auch eine grosse Herausforderung, überhaupt gutes Personal zu finden. Momentan entwickle sich die Situation jedoch wieder in Richtung «Vor-Corona-Zeit» und man versuche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem umfassenden Angebot, gewissen Benefits und nicht zuletzt auch guten Löhnen zu akquirieren respektive zu halten.
Auch beim Restaurant «Calanda» hat sich die Lage in den letzten Wochen und Monaten weiter entspannt. «Seit Ende Sommer, Anfang Herbst erreichen uns wieder Bewerbungen von Studenten, die beispielsweise ein Zwischenjahr einlegen oder während dem Studium arbeiten möchten», sagt Carmen Cappellini. Bewerbungen, die bisher komplett weggefallen seien, vermutlich aus Unsicherheit, wie sich die Lage in der Gastronomie entwickeln würde. Deshalb würde man nun wieder einen kleinen Lichtblick sehen, sagt Cappellini.
Positiv in die Zukunft schaut man auch bei der Synbone AG in Zizers. «Ja, die ganze Krise hat uns zugesetzt, gleichzeitig hat sie uns als Firma wohl aber auch mutiger, innovativer und robuster gemacht», sagt Synbone-CEO Heinz Hügli. In diesem Sinne ist man bei der Synbone AG auch für die bereits nächsten Krisen - wie etwa die drohenden Winter-Stromlücken in Europa - gewappnet.
Denn ja, wenn es tatsächlich zu Stromunterbrüchen kommen sollte, könne man natürlich nicht mehr arbeiten, da man auf Computer angewiesen sei. Trotzdem sollte das Stromproblem auf die Firma nur einen minimalen Einfluss haben, da die Produktion inklusive Sourcing eben bereits vor sieben Jahren nach Malaysia verlagert worden sei, wo es keine Energieengpässe gebe. «Und in Europa macht das Unternehmen rund 30 Prozent des Umsatzes, eine Grössenordnung also, die wir unter Kontrolle haben sollten», erklärt Hügli. Und zudem sei man im Calandapark in Zizers in einem modernen, energieoptimierten Gebäude eingemietet.